Reminiszenzen

 

Schilderung, anlässlich des 1. Stiftungsfestes der V.P.V.-Verbindung "Nibelungia" Freistadt.

 

 

Burschenwacht, Folge 6, 1925

von Reg.R ADir. i.R. Franz Maria Pfeiffer (1889-1964)

Keuchend und pustend schiebt sich unser Zug auf der Trasse der ersten (Pferde-)Eisenbahn Österreichs, Linz - Budweis durch das Mühlviertel, bis wir vor einem schmukken Bahnhofe halten: Freistadt - Oberösterreich, die vorletzte Station vor der neuen Grenze der Tschechei. Weit und breit kein Haus. Haben wir uns vielleicht geirrt? Doch schon erwartet uns ein weißbemützter "Nibelunge" und im flotten Trab geht es im Landauer durch den frischen Abend der Stadt zu. Heuduft umfächelt uns lufthungrige Großstädter. Da, wir trauen kaum unserer Augen: ein mächtiges Tor, das "Linzertor", mit Graben, Mauern und Laufgängen hemmt uns den Ausblick. Rasselnd fahren wir bei der "Alma mater", dem Gymnasium Freistadts, vorüber in die Stadt ein. Durch ein winkeliges Gäßchen geht es, und wir halten vor dem Gasthof, wo der Begrüßungsabend stattfindet. Eine imponierende und zugleich gewinnende Gestalt fällt mir gleich auf: das kann nur der Herr "Rektor" sein; und wirklich habe ich's erraten. Es war der Herr Gymnasialdirektor Dr. Franz Hofer. Frohes Begrüßen, schöne Lieder: man lernt sich kennen. Auch die Frau Direktor beehrt uns. Ehrenmitglied Dr. Werner, der Chirurg Freistadts, sieht erschrocken auf das Stundenglas. Hoffentlich weckt man ihn heute nicht. Keine Ruhe in der Nacht! Wir brechen auf. Gemeinsam machen wir durch die Stadt beim "Böhmertor" hinaus, um den Stadtgraben einen Nachtbummel; auch der Herr Direkor hält mit. Mondschein, Türme, Wolkengebilde, Blumenduft. Eine Idylle, wie ich sie nur einmal in stillen Gassen Nürnbergs erleben konnte.
Ein echter Pfingstsonntag. Die Sonne lacht freudig auf "Nibelungias" treue Söhne und ihre Gäste, die zum Festgottesdienst in die "Frauenkirche" ziehen. Ein kleines gotisches Kunstwerk, eines der schönsten Baudenkmäler des Landes. (Die älteste urkundliche Erwähnung datiert aus dem Jahr 1354.) Eine "Lurperpetua - Säule" gefiel mir besonders und erinnerte mich an die in Klosterneuburg vor der Stiftskirche. Hochw. H. Religionsprofessor Dr. Heinrich Bayländer, E.M. "Nibelungias", las die Festmesse und auch viele Professoren, an der Spitze der Herr Direktor, wohnten mit sehr vielen Freistädtern dem Gottesdienste bei. Als berüchtigter Antiquitätenfreund fand ich in Dr. Werner, der mit seiner "Jammertasche" gerade von einer Operation kam, einen tadellosen Führer und Interpreten von Freistadt. In einer halben Stunde kann man bequem um die Stadtmauern herumgehen. Freistadt (auch Freystadt geschrieben), ist an den Ufern der Feldaist gelegen und wird schon in einer Urkunde Rudolfs von Habsburg vom Jahre 1277 als Stadt bezeichnet. Vier Türme befestigen die Stadt, die viele Kämpfe mitzumachen hatte, aber trotzdem sehr wohlhabend blieb, weil der gesamte Verkehr von Linz nach Böhmen über Freistadt gehen mußte. Die "Burg" mit dem mächtigen "Bergfrit" und Vorwerken wirkt imponierend. Das massive Gebäude des Dechanthofes - eine Zeit lang residierten hier die Passauer Bischöfe - dürfte wohl früher ein Kloster gewesen sein. Die Stadtpfarrkirche ist groß, hat schöne gotische Altäre und eine Riesenglocke, die mich frühzeitig aus süßen Träumen weckte. Der Stadtplatz mutet beinahe südländisch an; viele flache Dächer, dafür aber eine altdeutsche gediegene Weinstube. Es braucht überhaupt niemand Angst vor dem Verdursten und Verhungern haben; 29 Gasthäuser sorgen für die 4000 Einwohner und Gäste genügend. Nach einem tadellosen Farbenbummel fand dann ein musikalischer kurzer Frühschoppen statt. Mittags waren wir bei den Eltern des Seniors, bei Familie Plöchl, geladen. Ein ehrwürdiges Patrizierhaus, wo nur so liebe Menschen hineinpassen. Nachmittags machten wir einen kleinen zwanglosen Ausflug ins schöne Thury-Tal. Nach zweistündiger Beratung wegen des V. C. mit den Linzern auf der hübschen Privatbude "Nibelungias" in der Böhmervorstadt, naht die Zeit des Festkommerses heran. Er verlief sehr schön und zeigte erst recht, welch großen Anhang "Nibelungia" hat. Nicht nur ein großer Teil des Professorenkollegiums an der Spitze mit dem Herrn Direktor, sondern auch der Herr Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Hans Zeitlhofer mit 10 Mitgliedern der Gemeindevertretung, sowie Stationsvorstand Felsegg besuchten den Kommers. Vertreter hatten entsendet die V.P.V. - Verbindungen: "Thuiskonia", "Rhenania", "Nibelungia" und "Donaumark" - Wien, "Frankonia", "Siegfriedia" und "Danubia" - Linz, Pennalverbindung "Nibelungia" - Linz, sowie die CV-Verbindungen "Norika", "Rugia", "Franko-Bavaria". Festredner, Gründer "Nibelungias" A.H. jur. Josef Miedl erwähnte auch in seiner Festrede die Verdienste des Herrn Bürgermeisters, der an diesem Abend das rot-weiß-blaue Band "Nibelungias" bekam und somit auch V.P.V.-er ist. Unvergeßlichen Eindruck erweckten die prächtigen Worte des Herrn Direktors Dr. Hofer. Nächsten Tag nahmen wir Abschied vom "Heidelberg" der Mittelschüler. "Leb wohl, mein kleines Städtchen ..." Lebt wohl, ihr lieben Bürger, Professoren und Studenten. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder.

 

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